Ich bin nun seit vier Monaten unterwegs und kann gar nicht sagen, ob sich das korrekt anfühlt oder nicht. Meine Reise fühlt sich weder besonders lang, noch besonders kurz an. Unterwegs verliert ohnehin alles ein bisschen an Relation. Oft habe ich keine Ahnung, welchen Wochentag wir haben, weil es komplett egal ist. Und vier Monate sind viel für die Urlauber unter den Reisenden, aber wenig für die vielen Langzeitreisenden, die ich treffe.
Ursprünglich hatte ich mir eine sechsmonatige Reise vorgenommen und wusste nicht, ob ich dazu überhaupt die Lust behalten würde oder, ob nicht nach einer gewissen Zeit eine Reisemüdigkeit einsetzt. Der Nebensatz dieses Blogs hieß daher auch „in 6 Monaten um die Welt“. Vor ein paar Tagen habe ich diesen Satz entfernt und die zeitliche Komponente herausgenommen, denn eines ist klar: Nach sechs Monaten (Anfang Februar) werde ich noch nicht zurück sein. Ich gehe aktuell von acht Monaten aus, vielleicht auch neun.
Die Lust am Reisen
Ich kann nicht behaupten, in den vier Monaten an jedem einzelnen Tag eine hohe Reiselust verspürt zu haben. Als ich in Thailand unter der Magenverstimmung litt, war mir nicht mehr nach Sonne, Strand und Meer zumute. Als ich kurz vor meinem Flug nach Hanoi viele negative Stimmen las, wollte ich nicht mehr unbedingt nach Vietnam. Aber das waren nur wenige Tage. Alles in allem bin ich höchst zufrieden mit meiner Entscheidung zu reisen. Kurze Motivationslöcher verfliegen schnell wenn mal wieder ein echtes Highlight ansteht.
In Vietnam bin ich auf einem neuen Motivationshoch angekommen. Das hatte ich schon in den USA, danach aber lange nicht mehr. Vietnam ist sehr divers und man kann so viele verschiedene Dinge machen, die über den 54. Tempel und den 28. Strand weit hinaus gehen. Außerdem habe ich hier so viele Langzeitreisende getroffen wie noch nicht zuvor. Einige Orte – wie das Phong Nha Farmstay – sind prädestiniert dafür. Während Urlauber in ihren drei Wochen keine Zeit dafür einplanen, ist es der richtige Ort für alle, die mehr Zeit mitbringen.
In meinem näheren Umfeld zuhause kenne ich nur Peter, der selbst schon mal auf einer langen Reise war, sonst niemanden. Es fühlt sich also so an, als sei es komplett unnormal. Doch dann stelle ich unterwegs fest, dass gefühlt die halbe Welt auf Reisen ist.
Besonders beeindruckt hat mich eine Langzeitreisende namens Laura (28) aus Finnland. Laura ist nach dem Abitur für ein Jahr nach Australien gegangen und dann nie wieder richtig zurückgekehrt. Sie hat nicht mal ein Studium begonnen, sondern jobbt jedes Jahr nur so viel (meist in Finnland), dass sie wieder auf Reisen gehen kann. Und bei 20 Euro Reisebudget am Tag (zzgl. Flüge, Tauchen und Touren) muss man gar nicht so lange arbeiten ;-) Ihre Budgetdisziplin ist beeindruckend. Auch wenn das heißt, dass sie manches mal passen muss oder routinemäßig das billigste Hostel im Ort ansteuert, sie hat die Dinge gesehen und erlebt, die andere bestenfalls vom Discovery Channel kennen. Komfort nimmt sie gern mit (wie in unseren guten, aber billigen Hotels in Hoi An und Nha Trang) aber wird allem anderen untergeordnet. Dabei ist sie nicht wie so viele Backpacker (mit denen ich nichts anfangen kann), die ewig unterwegs sind, möglichst billig durchkommen wollen und irgendwann in Nha Trang jobben und für kleines Geld andere Touristen mit kostenlosem Alkohol in die Bars locken, weil sie sich nicht mal mehr das billigste Hostel leisten können.
Laura hat mit 28 Jahren unfassbar viel gesehen, hat etliche Freunde in der Welt und ist smart genug, um diesen Lebensstil noch Jahrzehnte weiterzuführen. Aber vor allem: Während kaum jemand weiß, was er mit seinem Leben wirklich anfangen will: Sie weiß es.
Aber auch Jori (58), meine andere aktuelle Mitreisende, macht das beste aus ihrer Situation. Momentan ist sie fünf Wochen unterwegs, weil sie Überstunden angesammelt hat. Alle zwei Jahre macht sie zudem einen 3-monatigen Sabbatical. Da muss natürlich der Arbeitgeber mitspielen – aber es ist machbar.
Wie geht’s weiter?
Was ich mit diesen neuen Eindrücken mache, weiß ich noch nicht. Zunächst einmal bin ich acht bis neun Monate unterwegs und dann geht’s für den Sommer nach Deutschland. Aktuell kann ich mir nicht vorstellen, einfach zu bleiben und mich wieder richtig einzurichten und in Abhängigkeiten zu begeben. Wenn mir Reisen so viele Erfahrungen bringt und Spaß macht, muss ich mich fragen: Warum nicht regelmäßig reisen? Mein Leben ist ohnehin so eingerichtet, dass ich nur wenig arbeiten muss und mir das Reisen trotzdem leisten kann.
Momentan formen sich erste Gedanken, im kommenden Herbst wieder loszuziehen, vielleicht nach Südamerika. Muss ja nicht wieder so lange sein.
Die letzten 10 Tage haben mein Denken dahingehend ordentlich durcheinander gewürfelt. Wer weiß wie es in weiteren 10 Tagen aussieht. Dann eröffnet sich mir sowieso ein ganz neuer Kontinent :-)
Super Gedanken! Klingt gut alter Kosmopolit :-)