Als ich das erste Mal AirBnB nutzte, um eine Unterkunft zu finden, landete ich bei David in San Francisco. Das war vor drei Jahren und gleich ein Volltreffer. Im letzten Sommer flog ich erneut nach Kalifornien und fragte bei David an, ob ich wieder bei ihm unterkommen könne. Zwar vermietete er sein Gästezimmer nicht mehr auf Plattformen, aber mich nahm er gern auf. Beide Male berechnete er mir deutlich weniger, als er in dieser Stadt eigentlich bekommen könnte. Für einige Tage erließ er mir gleich komplett die Miete. Zusätzlich lud er mich mehrmals zu einem selbst gekochten Essen ein und scheute auch sonst keine Mühen, mir eine gute Zeit in San Francisco zu bescheren.
Nicht nur durch seine Gastfreundlichkeit empfand ich meine Zeit bei David als sehr inspirierend. Sein Lifestyle hat für mich Vorbildcharakter, denn auch ohne ständig zu reisen lebt und arbeitet David sehr unabhängig. Er weiß mit seiner Freiheit auch zu Hause umzugehen. Bei ihm habe ich einiges gelernt und das möchte ich heute aufschreiben.
1. AirBnB-Gastgeber können eine Reise bereichern
Davids Apartment war meine erste Erfahrung mit AirBnB. Ich wollte es einfach mal ausprobieren, da ich zur Abwechslung nicht in einem unpersönlichen Motel übernachten wollte und Unterkünfte in San Francisco teuer sind. Ich habe es nicht bereut. Schon bei meinem ersten Besuch gab er mir nützliche Tipps für meine Reise, schenkte mir ein Zelt, das ich noch brauchen sollte und ließ mich an seinem Leben in San Francisco teilhaben. Seitdem habe ich immer wieder Zimmer oder ganze Apartments über AirBnB gemietet. Nicht jedes Mal war es so bereichernd wie bei David, doch ich hatte immer eine gute Zeit.
2. Eine minimalistische Wohnung kann gemütlich sein
Davids Apartment ist sehr übersichtlich eingerichtet. Im Wohnzimmer steht ein Esstisch mit zwei Bänken. Neuerdings hat er sich zusätzlich einen Stehtisch gebaut, an dem er manchmal arbeitet. Zusätzlich gibt es einen amerikanischen Einbauschrank. Das war’s. Das Schlafzimmer sieht ähnlich aus, das Gästezimmer auch: Ein Bett, ein Tisch mit Stuhl, ein Sessel und ein kleiner begehbarer Kleiderschrank. Obwohl nirgends Krempel herumsteht – nur die Küche ist gut ausgestattet – wirkt die Wohnung gemütlich. Ich habe mich dort sehr wohlgefühlt und bekomme schon beinahe Heimatgefühle, wenn ich vor meinem inneren Auge durch die Zimmer gehe. Das habe ich nun auch versucht, in meinem neuen Zuhause umzusetzen. Zwar sieht meine Wohnung anders aus und ein wenig kann ich an der Gemütlichkeit noch nachjustieren, aber im Großen und Ganzen bin ich mit wenigen Möbelstücken und wenig Krempel sehr zufrieden.
3. Wer sich auskennt, hat etwas zu erzählen
Ich hatte den Eindruck, David würde schon immer in San Francisco leben (was jedoch nicht der Fall ist). Überall schien er sich auszukennen und hatte Anekdoten zu erzählen. Außerdem kennt er in der Stadt unzählige Menschen, die er zu verschiedenen Gelegenheiten trifft. Das fand ich beeindruckend und empfinde es als einen großen Vorteil einer echten Heimatbasis. Beim Dauerreisen habe ich so etwas nicht. Auch dann nicht, wenn ich monatelang an einem Ort bleibe. Es ist nicht das gleiche.
Und auch damals, als ich fest in Leipzig gelebt hatte, kannte ich mich lange nicht so gut aus wie er in San Francisco, weil ich mehr Zeit mit meiner Arbeit verbrachte und mich kaum für mein Umfeld interessierte. Das soll nun anders werden bzw. ist es bereits geworden. Seit meiner Rückkehr habe ich meine Heimatstadt schon besser kennengelernt.
4. Dinner Partys schweißen zusammen
Ein Merkmal von Davids Lifestyle sind seine regelmäßigen Dinner Partys. Schon bei meinem ersten Besuch hatte ich eine miterlebt. Bei meinem zweiten Besuch waren es gleich zwei. David lädt nur wenige Leute ein – drei bis vier Freunde –, aber das ist völlig ausreichend, um gemeinsam einen schönen Abend zu verbringen. Obwohl ich mich in Gruppen unwohl fühle, konnte sogar ich erkennen, dass ein selbst gekochtes Essen mit Freunden ein angenehmer Zeitvertreib ist und enger zusammenschweißt, als in eine Bar zu gehen.
Beide Male, als ich bei ihm war, nahm ich mir vor, das zu Hause nachzumachen. Doch zu Hause sieht wieder alles anders aus, denn es kostet mich viel Überwindung, Freunde zu mir einzuladen. Aber in kleinen Runden habe ich das schon gemacht und an meinem Geburtstag in einer größeren.
5. Es ist okay, zu arbeiten was Spaß macht
Insgesamt habe ich mehr als zwei Wochen mit David verbracht. Wirklich arbeiten gesehen habe ich ihn jedoch selten. Allerdings ist das eine Frage der Definition. David lebt größtenteils davon, Unternehmen zu beraten. Ich weiß nicht einmal genau, wie er berät, schließlich interessiert ihn dieses Business selbst nicht besonders. Aber es bezahlt die Rechnungen und zwar so gut, dass er nur alle paar Wochen oder Monate mal einen Auftrag annehmen muss. Die meiste Zeit beschäftigt sich David mit Nebenprojekten, die ihm wirklich Spaß machen. Er programmiert kleine Tools und Apps, von denen es die meisten nie über den Hausgebrauch hinaus schaffen. Außerdem entwirft er Bastelprodukte, die sich bislang mäßig oder gar nicht verkaufen. Er könnte wahrscheinlich dreimal mehr Geld verdienen, wenn er seinem eigentlichen Job nachginge, aber er macht nur so viel wie nötig. Den Rest der Zeit tüftelt und bastelt er oder verbringt sie mit Freunden. Weil es ihm Spaß macht.
6. Es ist nicht schwer, Produkte zum Anfassen zu erstellen
Ich hatte (und habe) immer einen großen Respekt vor Menschen, die physische Produkte entwickeln. Ich kann nur am Computer arbeiten und wusste nicht einmal, wo ich anfangen sollte. Bis ich David traf. Er kommt auch aus einer digitalen Branche, aber versucht stets, aus seinen Fähigkeiten Produkte entstehen zu lassen, die Menschen anfassen können. Das Know-How bringt er sich selbst bei. Für die Umsetzung geht er zu TechShop – ein Geschäftsmodell, das mich begeisterte. Bei TechShop können Hobbybastler und Kleinunternehmer für einen überschaubaren monatlichen Betrag eine gut ausgestattete Werkstatt nutzen. Wer keine Ahnung hat, kann sich das Wissen in regelmäßigen Workshops aneignen. Dort hat sich David seinen Stehtisch gebaut und entwirft kleine Produkte wie faltbares Spielzeug und individuelle Schablonen, mit denen Menschen ihre Motive an Wänden oder auf Gehwegen verewigen können. Seitdem weiß ich: Wenn ich wirklich will, kann auch ich mir beibringen, Produkte zum Anfassen zu entwerfen. Wie schön, dass in Leipzig kürzlich die Mitmachwerkstatt eröffnet wurde.
7. Ausreden zählen nicht
Eines Abends sagte ich zu David: „Wenn ich wieder zu Hause bin, will ich Gitarrenunterricht nehmen.“ Ich wusste, dass er selbst manchmal spielt, denn im Gästezimmer steht eine sehr teure Gitarre herum. Anstatt mich zu der Entscheidung zu beglückwünschen, in sechs Wochen vielleicht mal Unterricht zu nehmen, fragte er mich: „Warum bis zu Hause warten? Fang lieber jetzt an.“ Sofort schossen mir Ausreden in den Kopf, weshalb das keine gute Idee sei. Trotzdem saß ich vier Tage später in einem kleinen Proberaum in San Francisco und nahm Unterricht bei einem sehr sympathischen Musiker namens Lindsey, der mit David befreundet ist. Für einen Freundschaftspreis von $60 pro Stunde lernte ich nicht nur meine ersten Griffe, sondern bekam noch mehr Lust auf Musik. Später lieh ich mir in einem Musikladen eine Gitarre für die nächsten Wochen und nahm sie mit auf meinen Road Trip.
Ich muss allerdings zugeben, dass ich vor einem halben Jahr aus dem Tritt kam und aufgehört habe zu üben, doch dass ich überhaupt anfing, hatte ich Davids Can-Do-Einstellung zu verdanken.
8. Es gibt viele Menschen, die anders leben
David unternahm mehrmals etwas mit mir und seinen Freunden, die überwiegend fünf bis fünfzehn Jahre älter sind als ich. Die meisten fand ich sympathisch und mir gefiel, dass sie kein gewöhnliches Familienleben lebten. Ihnen ist Unabhängigkeit ziemlich wichtig. Der eine oder andere hat möglicherweise sogar Bindungsängste. Es ist nicht mein Ziel genauso zu leben, aber damals entlastete mich die Erkenntnis, dass viele Menschen ungebunden leben. In meiner Heimat kannte ich fast nur noch langjährige Paare und musste mir die Namen der Kinder schon aufschreiben, um sie mir noch merken zu können. Bei David sah ich, dass es auch anders geht. Nicht alles finde ich nachahmenswert, aber ich fühlte mich damals immerhin weniger allein.
Du wirst unschwer erkennen können, dass mich David sehr beeindruckt hat. Meine Zeit bei ihm hat mich im letzten Sommer stark inspiriert. Er gab mir Stoff, über den ich nachdenken konnte, bevor ich zu einem Road Trip aufbrach. In den darauffolgenden Wochen nahm ich mir viel Zeit für mich selbst, u. a. zum Gitarrespielen, aber auch für Sport, Ernährung, Entspannung, Lesen und Schreiben. Ich arbeitete in diesen Wochen so wenig wie noch nie zuvor in meinem Arbeitsleben, weil ich bei David sah, dass das Leben schön ist, wenn man macht, was einem gefällt. Mehr Geld kann das nicht ersetzen.
Hey,
das finde ich sowas von Cool diese Einstellung.
Gerade die Dinnerpartys etc.
Die Amis haben einfach eine andere, für mich bessere Lebenseinstellung.
In Deutschland sind viele „Grießgrämig“ wann wird dumm angeschaut wenn man auf dem supermarkt Parkplatz Sport macht etc.
Die ganze Lebenseinstellung außerhab Europa ist einfacher und besser
Das sind wirklich inspirierende Punkte. Gerade das David seinen Lifestyle so lebt wie er ihn lebt ist total faszinierend.
Wirklich tolle Punkte :-)
Liebe Grüße
Anna
Bloggerin Canistecture
Hey,
schöner Artikel finde ich und gerade die Erkenntnis „…dass viele Menschen ungebunden leben…“ ist wichtig. Das Idealbild vieler sieht halt immer noch anders aus und Singles werden deswegen manchmal nur mitleidig angesehen. ;)
VG Alex
Hey Patrick,
unschwer lässt sich erkennen, dass David dich schwer beeindruckt hat.
Ich denke, meine Freundin und ich werden nächstes Jahr bei unserem Aufenthalt in den US auch einmal Airbnb ausprobieren. Allein schon, weil uns dein Bericht aus Ponderosa so gut gefallen hat!
Viele Grüße,
Sven
Hi Sven,
die Unterkunft in Ponderosa hatte ich über HomeAway.com gefunden.
wie geht es dir denn generell so in deinem neuen Leben? bist du (im Moment jedenfalls ) angekommen?
Hi Sylvia,
mir geht’s ganz gut. Es gibt kleine Aufs und Abs, aber im Großen und Ganzen bin ich sehr zufrieden mit meiner neuen alten Heimat :)
Hej, hej, Patrick, jetzt habe ich Deinen Beitrag schon seit zwei Wochen im Feedly, weil ich ihn so toll finde – und noch mal was zum „ungebunden leben“ sagen wollte. Ich schätze mal, dass ich im Alter von Davids Freunden bin; also so fünf – bis fünfzehn Jahre älter als Du. Wenn ich mein näheres Umfeld anschaue, ist die „klassische Familie“ kaum vertreten. Ich glaube, das ergibt sich so… Leute, die anders leben, finden sich irgendwie. Und bauen dann oft gute Netzwerke auf; haben gemeinsame Rituale und pipapo. Auch das zeigt eine Form von Bindungsfähigkeit. (Zumal manche Paar-Bindung auch auf Angst oder äußeren Zwängen basiert.). Liebe Grüße, Stefanie
Hi Stefanie,
schön, dass dir der Beitrag so gut gefällt!
Scheint mir auch so zu sein, dass sich gleichgesinnte Menschen immer irgendwie finden :)
Hey Patrick,
ein sehr treffender und passender Beitrag. Die Amerikaner haben einfach eine grundlegend andere Einstellung zum Leben als die „Deutschen“. Ich finde dein Artikel beschreibt es genau wie wir in vielen Situationen von dieser Einstellung auch lernen und profitieren können.
Ich hoffe es ist ok wenn ich deinen Artikel auf unserem gerade gestarteten Blog http://www.lovinusa.de verlinkt habe.
Das klingt nach einer sehr coolen Erfahrung. Ich bin auch ein großer Fan von Airbnb. Man lernt immer ganz unterschiedliche Leute kennen und erfährt coole Geheimtipps. Wirklich schlechte Erfahrung hab ich bisher noch nicht gemacht :)