Bin ich schon jemals richtig gereist? Diese Frage drängt sich geradezu auf, wenn ich Leute reden höre, dass sie auf eine bessere Art reisen würden. Manch einem geht es darum, ob ich ein Land „wirklich“ erlebt habe oder nicht, ein anderer weist auf die CO2-Bilanz hin und schlussfolgert, dass man nicht weit verreisen dürfe. Für andere ist es schon falsch, sich ein gutes Hotel zu leisten. Jeder hat seine Theorie.
Vor Kurzem hat auch ein Leser dieses Blogs ein paar Theorien mit mir geteilt und seinen ganzen Lebensfrust bei mir abgeladen. Ihm zufolge würde ich sehr konsumorientiert reisen. Außerdem wären Leute wie ich ignorant, arrogant, kolonialistisch und verlogen.
Hm.
Am liebsten hätte ich sofort alles abgestritten und ihm geantwortet, weshalb das alles Blödsinn ist. Dieses Gefühl, mich rechtfertigen zu müssen, ist nicht neu. Es kommt immer wieder auf, wenn jemand meint, etwas besser zu machen.
Doch nach ein paar Tagen sah ich das entspannt: Es ist doch völlig egal. Es gibt nur eine richtige Art zu reisen, und zwar so wie ich es möchte.
Meine CO2-Bilanz raubt mir keinen Schlaf. Ich bin in einiger Hinsicht ignorant. Ich bin auch konsumorientiert und weiß es: Mir ist ja völlig klar, dass der gemeine Mexikaner nicht im Café sitzt und an einem Cappuccino nippt. Den gibt es dort nur wegen uns. Diese Bequemlichkeit macht meine Reisen noch etwas angenehmer und dafür schäme ich mich nicht.
Meine Rollen als Reisender
Im Übrigen sind wir alle nicht auf einen Reisestil festgelegt. Wir können in verschiedene Rollen schlüpfen, von denen ich schon einige ausprobiert habe:
Backpacking: Mit dem Rucksack auf dem Rücken durch exotische Länder, mit einem Budget von 30 Euro am Tag.
Flashpacking: Oft leiste ich mir mehr Luxus. Teurere Unterkünfte, bequemere Busse und besseres Essen. Dann bin ich „Flashpacker“.
Städtereisen: Ich bin ganz gern in großen Städten unterwegs, mal teuer, mal billig. Städte sind so schön bequem.
Vor Ort leben: In Tallinn habe ich einen Monat gelebt. Nur, um es mal auszuprobieren. Ich war nicht überglücklich damit, würde es aber wiederholen. Sehr gerne in den USA.
Road Trip: In einigen Ländern gönne ich mir einen Mietwagen und klappere das Land auf eigene Faust ab. Wahrscheinlich wieder im Januar in Südafrika.
Camping: In Australien hatte ich ein Zelt im Auto und habe mehrere Wochen lang darin übernachtet. Nicht meine liebste Unterkunft, aber geht auch mal.
Pauschalurlaub: Zweimal war ich pauschal in Ägypten. Weil mich das Land nicht interessiert, man dort aber gut tauchen kann. Dafür reicht ein Hotel für Pauschalurlauber. Und wenn sich die Gelegenheit ergibt, würde ich auch einfach mal so eine Woche Pauschalurlaub machen, um dem deutschen Winter zu entkommen.
Winterurlaub: Es ist schon länger her, aber trotz schlechter Fähigkeiten beim Skifahren war ich auch schon mal Winterurlauber.
Das sind alles Rollen, in die ich schon einmal geschlüpft bin. Und mir fallen noch zwei ein, in die ich gern einmal schlüpfen würde:
Hütte am See: Ich wäre gern einmal für vier Wochen in einer Hütte am See, um dort in aller Ruhe ein Buch zu schreiben. Idealerweise nicht allein. Gern in Skandinavien, Kanada oder Alaska.
Kreuzfahrt: Ich kann mich auch an den Gedanken einer Kreuzfahrt gewöhnen. Die halbtägigen Landgänge interessieren mich nicht, aber das Leben an Bord schon.
Auch legitim: Weitere Rollen
Dann fallen mir noch ein paar Rollen ein, die mich nicht interessieren, und die genauso in Ordnung sind wie alle anderen auch.
Luxusurlaub: Dafür bin ich zu geizig, aber wer sich gern in einem guten Hotel verwöhnen lässt, soll das machen.
Partyurlaub: Ich würde nie in den Urlaub fahren, um zu feiern, und mache gern einen großen Bogen darum. Doch wer genau daran Spaß hat: Go ahead!
Strandurlaub: Millionen Menschen verbinden allein damit schon das Wort Urlaub. Ich bin kein Strandmensch, aber vielleicht kommt das noch.
Deutschlandurlaub: Ich kann mich nicht mit dem Gedanken anfreunden, mehr als ein paar Tage Urlaub nur in Deutschland zu verbringen. Es zieht mich immer ins Fremde. Aber ich mag es, wenn jemand seine Heimat kennenlernen will.
Wandern: Eine Wanderung reizt mich. Ich habe aber auch nichts dagegen, wenn sie nach drei Stunden vorbei ist. Daher möchte ich nicht eine ganze Reise danach ausrichten, aber grundsätzlich ist es schön, in der Natur zu sein.
20 Jahre an den gleichen Ort: Ein bisschen schwer fällt es mir ja, das zu tolerieren. Aber letztendlich kommt es immer darauf an, dass der Reisende (Urlauber) eine gute Zeit hat. Und wenn er die 20 Jahre in Folge am gleichen Ort hat, hat er sein Ziel erreicht.
Die einzig wahre Art
Es gibt nur eine einzig richtige Art zu reisen: So wie Du es willst. Und Du musst nicht einmal immer das Gleiche wollen. Sei mal Backpacker, mal Städtereisender, mal Wanderer und mal Pauschalurlauber. Mach was Du willst.
Wann immer Dir ein Moralapostel begegnet, der Dir vorhält, was Du alles falsch machst, lass ihn reden und halte es wie H.G. Wells:
„Moralische Entrüstung ist Neid mit einem kleinen Heiligenschein.“
Hey,
bei dem Titel dachte ich ja schon, was da wohl nun kommen mag ;) und ich dachte mir auch: Was ist denn bitte richtiges Reisen? Das muss doch jeder für sich wissen! Und da bin ich völlig deiner Meinung. Jeder muss für sich entscheiden, wie er am liebsten reist. Es ist eben subjektiv, ob ich gerne am Strand liege oder Gruppenreisen machen möchte. Ob ich mich in einem Hotel niederlasse und dort auf Angebote zurückgreife oder es lieber auf eigene Faust organisiere.
Aber für einen ersten Überblick/Eindruck der einzelnen Reisetypen finde ich die Auflistung mit kurzer Erklärung/Stellungnahme gar nicht schlecht!
Hey Jessie,
ja, die Überschrift ist etwas „tricky“ ;-)
Danke Patrick!
Du hast es wirklich auf den Punkt gebracht und ich kann mich endlich in eine Schublade stecken :)
Das kann ich voll unterstreichen. Wenn Reisende mit missionarischem Eifer andere zur „richtigen“ Art des Reisens bekehren wollen, frage ich mich manchmal, wo genau diese Toleranz und die Offenheit für etwas Neues ist, die sie die ganze Zeit predigen. Glücklicherweise handelt es sich dabei aber um eine Minderheit.
Auch ich kann mich nicht wirklich auf eine einzige Art des Reisens festlegen. Die für mich grossartige Erfahrung war natürlich ein paar Jahre lang in China leben und arbeiten zu können. Aber das schliesst nicht aus, dass ich eben auch mal wieder Lust auf Backpacking habe und in Zukunft gerne mal einen ausgedehnten Segeltrip machen möchte (fehlt übrigens in deiner Aufzählung).
Hey Oli,
stimmt, der Segeltrip fehlt. Der würde bei mir unter „auch legitim, aber für mich nicht interessant“ stehen ;-)
Ein paar Jahre in China zu leben war sicher eine ganz besondere Lebenserfahrung, die Dich auch prägt.
yay, schöner Artikel. vor allem das Zitat!!! :-)
aber noch was zu 20 Jahre Urlaub am gleichen Ort machen: ich war ein Nordsee-Kind (weil man da mit ganzer Familie und Hund und nicht weiter Fahrt problemlos immer relativ günstig Urlaub machen konnte) und habe meine Kindheit und Jugend mit ganzer Family und Großeltern fast jedes Jahr einmal Urlaub an der Nordsee gemacht, zu 80% im immergleichen Ort und es sind die allerallerallerschönsten Erinnerungen :-) vor allem jetzt, wo fast alle tot sind, will ich das nicht missen…. auch wenns nächstes Jahr mit dem Rucksack nach Asien geht :-)
Lieben Gruß aus Münster!
Hi Patrick,
ooooh, an einen See würde ich auch mal gerne für ein paar Monate! Danke für die Inspiration :).
Beste Grüße,
Christine
Hallo Patrick,
Interessanter Artikel, der viele Seiten/Arten des Reisens aufzeigt.
Warum aber nur ist es Dir wichtig, was andere sagen? Da gab’s doch schon einen Artikel zu Vorurteilen des Reisebloggers.
Was „richtig“ ist, muss ja jeder für sich selbst entscheiden, abgesehen von einigen globalen Regel über richtig/falsch.
Eine spannende Aufgabe ist also herauszufinden, was Dir guttut. Das mag für den nächsten Unfug sein, aber du bist ja nicht der nächste.
Gruss,
Ralf
Hey Ralf,
ich glaube, niemand kann sich ganz davon frei machen, was andere Menschen denken. Mir ging es zumindest in dem Moment so, als ich die frustrierte Nachricht des Lesers bekam.
Aber bei dem Thema „richtig reisen“ bin ich darüber hinweg und nur deshalb gibt es diesen Artikel. Es interessiert mich nicht mehr und das kommuniziere ich hier offen – vielleicht hilft es jemandem.
Das gilt auch für den Artikel über die Vorurteile (wobei ich mich zum Zeitpunkt des Schreibens noch nicht von all diesen Vorurteilen frei machen konnte).
Hey Patrick, Du hast mal Lust auf das Leben an Bord eines Kreuzfahrtschiffes? Das hätte ich ja nicht gedacht :). Ich seh das auch alles total entspannt. Jeder soll reisen wie er Lust hat . Wenn andere das nicht akzeptieren sind sie nicht tolerant. Eine Möglichkeit oder eine „perfekte“ Art gibt es schonmal gar nicht. Hab nach den vielen Reisen jetzt gerade eine ideale Reiseart gefunden. Vielleicht ändert sich das aber irgendwann auch wieder. Und das ist grad: Nicht zu schnell reisen / z lange Transportwege – lieber in kleinere Orte statt großen Städten – und Beach / Inseln / Wassersport vs. Kultur. LG Feli
Jup, eine Kreuzfahrt kann ich mir mal gut vorstellen. Vor allem nachdem ich gestern Traumschiff geschaut habe. Es gibt immer ein Happy End ;-)