In den letzten beiden Tagen habe ich mich in der 4-Corners-Region aufgehalten – also in der Gegend wo sich die Staaten Utah, Arizona, Colorado und New Mexico treffen. Das ist gleichzeitig Navajo-Reservat. Naiv und unwissend ist mir nicht ganz klar gewesen, was das eigentlich bedeutet.
Je weiter ich vorangekommen bin, desto mehr kam ich mir wie in einem Entwicklungsland vor. Und siehe da: Ein wenig Recherche am Abend bringt tatsächlich Begriffe wie „Dritte Welt“ in Verbindung mit dem Navajo-Reservat zutage.
Die Navajo Nation (offizieller Begriff) ist das größte Gebiet von Native Americans und umfasst ca. 71.000 Quadratkilometer. Navajo Nation ist ein Reservat mit eigener Legislative, Exekutive und Judikative innerhalb der USA. Etwa 50% der Einwohner leben unter der Armutsgrenze. Das Pro-Kopf-Einkommen liegt bei lächerlichen $11,000 pro Jahr. Die Arbeitslosigkeit schwankt je nach Gebiet zwischen 15% und 80%.
Man lebt hier von Landwirtschaft (Schafe, Rinder) und Kunsthandwerk, das an Touristen verscherbelt wird und das ist wirklich auffällig. An jeder noch so kleinen Attraktion stehen Natives und wollen ihre Produkte (überwiegend Kitsch) an den Mann bringen.
Die Natives von heute haben auch wenig mit den einstigen Indianern zu tun (man erkennt sie eigentlich nur an der Hautfarbe). Sie sind einfach nur besonders arme Amerikaner mit vergleichsweise wenig Bildung und schlechten oder keinen Jobs.
Selbst der Tourismus (sicherlich eine der größeren Einnahmequellen, denn immerhin liegt das Monument Valley mitten in Navajo Nation) ist hier eine ganze Klasse weniger professionell als außerhalb des Reservats. Die Wege im Monument Valley sind schlecht befahrbar, es gibt (fast) keine Hiking Trails, das Museum ist ein Witz (eher ein Souvenirshop) und selbst die obligatorische Karte bei der Einfahrt in den Park ist wesentlich weniger brauchbar als in jedem Nationalpark. Drum herum gibt es kaum Shoppingmöglichkeiten und wenige Restaurants – und diese sind auch wirklich nicht gut (siehe auch Yelp & Tripadvisor). Die längste Schlange bildet sich vor’m Western Union Schalter. An den Tankstellen wird meist nur für $5-10 getankt. Die Grundstücke sind zugemüllt. Bei diesem traurigen Anblick frage ich mich, ob es wirklich so sinnvoll ist, sich von den anderen Amerikanern abzukoppeln und wie es überhaupt sein kann, dass eine Region mitten in den USA so rückständig ist.
Während ich das schreibe, bin ich immer noch im Reservat und liege in einem Hogan (den Artikel habe ich einen Tag später veröffentlicht). Dabei handelt es sich um eine traditionelle Behausung der Natives. Einige leben auch heute weiterhin in Hogans. Mein Hogan (wie sicherlich auch viele andere) besteht innen aus Baumstämmen, die alle nach oben hin eine Spitze bilden. Von außen wurde eine dicke Lehmschicht aufgetragen, die den Hogan abdichtet und warm halten soll (bzw. kühl an heißen Sommertagen). Bisher ist es wärmer als in einem Zelt. Mal sehen, was die Nacht bringt. In der Schlafecke wurde der Innenbereich mit Tüchern und Folien abgehängt. Ich weiß nicht, ob das authentisch ist oder nur für Touris. Dahinter hört man den Lehm bröckeln. Eingerichtet ist der Hogan mit einer Matratze, einem Ofen und einer Petroleum-Lampe, die mich vor der totalen Dunkelheit bewahrt. Das macht es sehr „real“ :-)
Auf diesem Campingplatz gibt es weder Strom für Gäste, noch fließendes Wasser. Letzteres wird aus der nächsten Stadt herangekarrt. Aus diesem Grund ist eine Dusche hier kostenpflichtig. Es ist auch der erste Ort in den USA, an dem ich fürs Internet zahlen muss (bis in den Hogan reicht es trotzdem nicht ;-) ). Alles nicht schlimm, aber erwähnenswert, da es ins Navajo-Gesamtbild passt.
Nachtrag: Der Hogan hat nicht warm gehalten. Es war sogar ziemlich kalt und keine gute Nacht. Ich bin dann auch entsprechend früh aufgestanten (06:30 Uhr) und losgefahren.
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Ich bin im Juni in New Mexico, aber das klingt ja nicht so einladend.
Naja, die Gegend ist aber immerhin sehr schön :)