Einige Leser fragen mich wie ich eigentlich zum digitalen Nomaden geworden bin. Oft stecken sie in einem 9-to-5 Job und können sich kaum vorstellen, dass man aus dieser Situation heraus jemals zum ortsunabhängigen Unternehmer werden könnte.
Aber es geht. Mein Arbeitsleben begann in einem Konzern. Meine wichtigste Aufgabe bestand darin, nicht vor dem Feierabend an Langeweile zu sterben!
Es dauerte allerdings lange und es war nie mein Ziel, digitaler Nomade zu werden. Am Ende hat es sich aufgrund vieler Ereignisse so ergeben.
Meine Ausbildung deutete überhaupt nicht an, was aus mir einmal werden könnte. Ich studierte BWL, und zwar an einer Berufsakademie. Das ist ungefähr das Gegenteil von ortsunabhängiger Selbständigkeit. An einer Berufsakademie heftet man sich – zumindest in meiner Fachrichtung – an einen Konzern. In meinem Fall waren es die Berliner Wasserbetriebe. Alle drei Monate wechselte ich zwischen Studium und Praxisphase.
Die Zeit im Unternehmen war vor allem langweilig. Nach ein paar Tagen war ich mit einer neuen Abteilung vertraut, konnte viele Dinge genauso gut oder besser als die langjährigen Angestellten und war froh, wenn ich etwas zu tun hatte. Ich zählte die Stunden bis zum Feierabend.
Doch ich hatte Glück: Das Unternehmen übernahm aufgrund eines Einstellungsstopps keine Auszubildenden und Studenten. Nach dem Studium mussten alle gehen und das wussten wir von Anfang an. Das ließ sich bestenfalls umgehen, indem man eine Rolle im Betriebsrat einnahm. Doch das wäre mir im Traum nicht eingefallen. So viel Unternehmer steckte schon damals in mir.
Im Anschluss machte ich ein kurzes Praktikum in Oslo, bevor ich eine Stelle antrat, die ich heute als den Ursprung meines Lebens als digitalen Nomaden sehe. Ich wurde Online Marketing Trainee beim Startup Spreadshirt.
Von Online Marketing hatte ich keine Ahnung. Kurz vorher las ich ein bisschen bei Wikipedia, aber damals war das nicht sehr erhellend. Dem Unternehmen war das nicht wichtig. Bei einem Traineeship bringt man keine Erfahrung mit, sondern hoffentlich andere Qualitäten wie Ehrgeiz oder eine gute Auffassungsgabe.
Bei Spreadshirt war alles anders. Ich bekam zwar nur 1.000 Euro brutto, dafür kam nie Langeweile auf. Es gab immer etwas zu tun und meistens etwas zu lernen. Manchmal schaute ich mich im Großraumbüro um und dachte mir: „Wir sind ein Haufen Anfang-Zwanzigjähriger und machen Business. Was ist hier bloß los?!“ Es hatte nichts mit dem zu tun, was ich kannte. Es war eine wirklich gute Zeit.
Während meiner Arbeit kam ich zum ersten Mal mit Blogs in Berührung. In der Online Marketing Branche schien jeder einen Blog zu haben. Fast alle waren schlecht, überhaupt nicht zu vergleichen mit den heute führenden Bloggern.
Am ersten Wochenende setzte ich mich hin und startete einen Blog. Was sonst?! Der war auch richtig schlecht. Für eine Weile schrieb ich unter patrickhundt.de und patrickhundt.com (zwei Blogs sind besser als einer, oder?). Ich wusste nie was ich schreiben sollte, hatte im Online Marketing ja noch keine Erfahrung. Bloggen war damals also nichts für mich.
Bei Spreadshirt sah ich als Affiliate Manager (damals war jeder ein „Manager“) aber auch, wie Menschen online Geld verdienen. Ungefähr zwei Monate nach meinem ersten Arbeitstag begann ich an einer Website zu arbeiten, die mir ein Nebeneinkommen generieren sollte. Ich hatte kaum Ahnung, was ich da tat, aber ich lernte schnell und verbesserte mich. Nach ein paar Wochen trudelten die ersten Euros ein.
Zwei Monate später kamen bereits ein paar Hundert Euro zusammen. Es dauerte nicht lange bis ich mehr nebenbei verdiente als mit dem Job bei Spreadshirt. Tagsüber ging ich also in die Firma, arbeitete 50 Stunden pro Woche, ging nach Hause und steckte weitere 20 bis 30 Stunden in meine Website. Niemand hat gesagt, dass es nicht mit Arbeit verbunden war!
Nebenbei habe ich mich an weiteren Websites versucht. Die meisten haben nur Taschengeld oder gar nichts eingespielt, aber zwei waren wirklich erfolgreich.
Mit den Websites im Rücken habe ich meinen Arbeitsvertrag bei Spreadshirt nach einem Jahr nicht verlängert (das kann passieren, wenn man Mitarbeitern nur befristete Verträge gibt). Stattdessen blieb ich als freier Mitarbeiter auf Teilzeitbasis im Unternehmen. Ich hatte dort ja weiterhin Spaß und lernte viel, aber es war längst klar geworden, dass ich in einem Leipziger Startup schnell an Einkommensgrenzen stoßen würde, die nicht besonders attraktiv waren.
Während des zweiten Jahres kreisten meine Gedanken zunehmend darum, Online Marketing nicht nur für Spreadshirt zu betreiben, sondern es auch anderen Unternehmen anzubieten. Schließlich lag es mir ganz gut und ich hatte Freude daran. Letztendlich gründete ich zusammen mit einer Freundin eine Agentur für Online Marketing (diese).
Ich hatte mittlerweile ein finanzielles Polster und stabile Einnahmen von meinen Websites, so dass ich auf das Geld von Spreadshirt nicht angewiesen war.
Vier Jahre lang war meine einzige Aufgabe, die Agentur aufzubauen. In dieser Zeit habe ich mich um meine Websites nicht mehr gekümmert. Anfangs hatte ich es mit externer Unterstützung versucht, aber die falschen Leute ausgewählt. Dann habe ich sie einfach liegen gelassen.
Meine erste Website hat mir trotzdem auch noch Jahre später vierstellige Einnahmen beschert. Zeitaufwand: Eine Stunde. Pro Jahr. Das sind die Vorteile des passiven Einkommens. Zwar muss man erst viel Arbeit investieren, die sich zunächst nicht zu lohnen scheint. Doch auf lange Sicht bekommt man es um ein Vielfaches zurück.
Ich wollte mich auf die Agentur konzentrieren, da ich in ihr das größere Potential sah. Wir hatten bis zu 25 Mitarbeiter, was sich besser skalieren lässt als ein paar Websites, die ich allein betreibe.
Die Agentur lief gut, aber zwischen mir und meiner Geschäftspartnerin knirschte es gewaltig. Ich steckte in einer Situation, die nur noch aus Ärger bestand. So stelle ich mir Selbständigkeit nicht vor. Ich sah nur den einen Ausweg, das Unternehmen zu verlassen. Mangels Alternativen ging ich auf eine lange Reise. Einige meiner Anteile konnte ich verkaufen, so dass meine Rücklagen weiter anstiegen. Ich bin allerdings weiterhin Gesellschafter der Agentur.
Kurz vor dem Ende in der Agentur hatte ich eine Idee für ein Website-Projekt, mit dem sich vermutlich Geld verdienen ließe. Die Vermutung bestätigte sich schnell. Ich holte meinen Bruder ins Boot – der selbst Online Unternehmer ist – so dass wir es gemeinsam und mit viel Outsourcing effizient auf die Beine stellen konnten. Aus einer Website wurden über zwanzig.
Als ich auf Weltreise ging, lief das neue Projekt so gut, dass ich meine Rücklagen nicht angreifen musste. Unterwegs habe ich 10 bis 20 Stunden in der Woche daran gearbeitet. Am Ende der neunmonatigen Reise hatte ich mehr Ersparnisse als vorher. Da war sie wieder, die Kraft des passiven Einkommens.
Allerdings haben sich die Zeiten geändert. Die Online Marketing Branche befindet sich in einem großen Umbruch. Heute gibt es diese schnellen Gewinne nicht mehr. Jedenfalls ist mir kein Weg bekannt.
Das kümmert mich nicht. Vor etwa einem Jahr habe ich das Interesse an diesen alten Projekten verloren. Ich hatte mich sieben Jahre lang mit Online Marketing beschäftigt. Je mehr Abstand ich gewann, desto weniger interessierte es mich noch.
Am Ende meiner langen Reise war ich voll auf den Blog konzentriert, wusste allerdings nicht, wohin das führen sollte. Es gab so gut wie niemanden, der mit einem Reiseblog nennenswert Geld verdiente. Jemand empfahl mir, wieder „etwas Richtiges“ zu machen.
In dieser Zeit las ich das Buch Start with Why. Dem Autor zufolge solle man all sein Handeln mit einer Frage überprüfen: „Warum?“ Im Deutschen passen die Fragen „Wofür?“ oder „Für wen?“ noch etwas besser. Da wusste ich, dass meine beiden Blogs schon „etwas Richtiges“ waren, denn sie sind für viele Menschen nützlich, auch wenn sie noch wenig einspielten.
Das hat sich kurz darauf geändert. Nun kann ich von 101 Places und den daraus entstandenen Produkten gut leben. Gut zu leben reicht mir allerdings nicht. Ich muss zwar nicht unbedingt reich werden. Diese Phase ist vorbei. Aber ich möchte sehr gut verdienen und weitere Rücklagen bilden. Man mag es bei meinem Lebensstil nicht glauben, doch ich bin ein vorsichtiger Mensch. Ich empfehle niemandem, sich mit 1.000 Euro im Monat zufrieden zu geben und davon in Thailand zu leben – weil ich es selbst nicht tun würde.
Wie es weitergeht, weiß ich nicht. Seit ich vor fast zwei Jahren unerwartet aus meiner eigenen Firma ausstieg, mache ich keine langfristigen Pläne mehr. Es kommt sowieso alles anders.
In den nächsten Monaten schreibe ich zwei Bücher, an die ich einige Erwartungen habe. Eines passend zum Reiseblog und eines passend zu meinem zweiten Blog (introvertiert.org). Beide soll es auch in gedruckter Form geben. Das ist wieder eine neue Erfahrung. Auch in Sachen Marketing werde ich ein bisschen probieren. Trial & Error.
Das gefällt mir besonders an meiner Arbeit. Viel auszuprobieren, neue Erfahrungen zu sammeln. Ein paar Misserfolge auf der einen Seite, positive Überraschungen auf der anderen. Und natürlich die Unabhängigkeit – nicht nur örtlich. Nur weil ich mit etwas meinen Lebensunterhalt verdiene, heißt das nicht, dass ich mich daran auf immer und ewig gebunden sehe. Wenn ich den Aufwand an einem Projekt herunterfahre, wird es mir noch passive Einnahmen bescheren bis ich etwas Neues aufgebaut habe, das mir mehr Spaß macht.
Es bleibt spannend.
Was war wichtig auf dem Weg zum Nomaden?
Anhand meines Werdegangs habe ich mir einmal selbst überlegt, welche Ereignisse und Schritte wohl wichtig waren, um dort zu landen, wo ich jetzt bin.
1. Ich durfte nicht im Konzern bleiben. Ich hatte gar keine Wahl, und das war gut. Obwohl es mir bei den Wasserbetrieben nicht sonderlich gefiel, wäre ich sonst wohl noch lange im sicheren Hafen geblieben. Ich hätte mich vermutlich ganz anders entwickelt.
2. Bei Spreadshirt fand ich das richtige Umfeld. Nicht nur, dass ich einen digitalen Job hatte. Es war auch ein sehr ehrgeiziges Umfeld, bei dem nicht nur Geld im Vordergrund stand, sondern Herausforderungen und Lernen.
3. Ich habe Chancen erkannt, die sich mir boten. In meiner Laufbahn als Online Marketer habe ich viele Menschen gesehen, die die gleichen Chancen hatten, aber sie nicht erkannten oder nicht wahrnehmen wollten. Das Business lag vor ihrer Nase, aber sie wollten es nicht angehen.
4. Ich habe viel Arbeit investiert. Neben einem 50 Stunden Job arbeitete ich 20 bis 30 Stunden an einem Nebeneinkommen. Auch heute muss ich mich immer wieder selbst antreiben. Niemand anderes übernimmt das für mich. Nur so geht es. Es ist harte Arbeit.
5. Ersparnisse machen frei. In den letzten sieben Jahren gab es kaum einen Monat, in dem ich mehr Geld ausgegeben als eingenommen habe. Meine Rücklagen erlaubten mir, die Agentur zu verlassen und zu bloggen, obwohl ich absolut nichts damit verdiente. Und sie werden mir auch für die nächsten Aufgaben die nötige Ruhe geben.
6. Ich habe einiges ausprobiert. Große Risiken gehe ich nicht ein, aber wenn es „nur“ um meine Arbeitszeit geht, ist es mir das Risiko wert. Es ist leicht, etwas nicht zu probieren, weil es schiefgehen könnte. Aber dann bekommt man nie etwas auf die Reihe. Nicht alles hat für mich funktioniert, einige Dinge dafür umso besser.
7. Verluste muss man abschreiben. So war es mit meiner Agentur. Ich hatte mit ihr noch nicht das erreicht, was ich wollte. Aber ich steckte in einer Sackgasse, in der es nicht mehr voran ging. Jeder weitere Monat hätte einen weiteren Verlust an Zeit und Lebensqualität bedeutet. Ich hätte mich noch Jahre weiter ärgern können, aber es war Zeit einen Schnitt zu machen und etwas Neues zu beginnen.
8. Arbeit muss einen Nutzen erfüllen. Heute fühlt es sich geradezu bescheuert an, dass ich daran früher nie dachte. Nun orientiere ich mich bei meiner Arbeit immer daran, dass sie für jemanden einen Nutzen erfüllt. Dann wird sie sich auch auszahlen. Für Selbständige ist genau dieses Vertrauen sehr wichtig.
Ich hoffe Du kannst aus meinem Werdegang etwas mitnehmen. Es hat zwar sieben Jahre gedauert, bis ich ortsunabhängig gearbeitet habe. Aber ich hatte es mir nie zum Ziel gemacht. Ich wollte nur Spaß an meiner Arbeit haben und finanziell unabhängig sein. Den Spaß habe ich seit dem Start bei Spreadshirt und die finanzielle Unabhängigkeit kam kurz darauf durch meine Nebenprojekte. Wenn Du das volle Programm willst, geht es sicherlich auch schneller.
Patrick, 1a Post, echt!
Kann ich total nachvollziehen und so nur unterschreiben. Bin schon gespannt auf deine Bücher, schreibe ebenfalls eins gerade ;)
Beste Grüße
Valentin
Hey Patrick.
Eine tolle bisherige Lebens- und Erfolgsgeschichte, aus der ich viel für mich mitnehmen kann. Vielen Dank auch für die Verlinkung meines Handbuches!
Dir schöne letzte Tage in Südafrika! Tim
Moin Patrick,
vielen Dank für diesen Rückblick. Habe mich schon länger gefragt, wie du es eigentlich geschafft hast und was du vorher so gemacht hast. Ich befinde mich in einer ganz ähnlichen Situation, da kommt dein Artikel gerade recht und macht Mut den Weg auch tatsächlich zu gehen :-)
Grüße,
Dennis
Hey Patrick,
ein wunderbarer Text. So manches wusste ich ja schon aus anderen Artikeln von Dir, aber die ganze Geschichte en bloc zeigt mir mal wieder, wie wichtig es ist, dass man regelmäßig neu schauen muss, was man wirklich (tun) will. Du bist auf jeden Fall sehr weit gekommen mit diesem Ansatz, den man in Eso-Slang auch „dem Herzen folgen“ nennen kann. Danke, dass Du das mit uns teilst!
LG
Tim
Super Artikel – ein schöner Einblick.
Viele Grüße
Dennis
Vielen Dank für Eure Kommentare!
Danke für diesen sehr persönlichen Post.
Glück ist eben, wenn man seine Chancen erkennt und diese auch nutzt.
Hi Patrick!
ein bisschen finde ich deine Einstellung beneidenswert, im allgemeinen finde ih es super von Leuten die so „spontan“ reagieren! ich bin mir sicher bei deinemErfindungsgeist wirst du dir schonw as einfallen lassen und ganz bestimmt über die Runden kommen! Bin gespannt auf deine nächsten Berichte!
grüße aus dem sonnigen Südtirol!
Wolfgang
Wie ich dir schon mehrfach schrieb, hast du das Talent, zum Ranklotzen zu motivieren! Danke dir dafür. Auch wenn ich deine berufliche Laufbahn schon ungefähr kannte, so hat mich dieser Artikel noch während des Lesens zum „Arbeiten“ motiviert. Arbeiten heißt hier nicht „etwas Unangenehmes für Geld machen“, sondern produktiv sein. In meinem Fall war das einfach ne Menge Kleinkram zu erledigen (es ist jetzt schon nach 01.00 Uhr nachts) , der nötig ist und mich bisher von größeren noch wichtigeren DIngen abgehalten hat. Nun habe ich genügend Energie um mich morgen früh noch mehr reinzuhängen. Und damit meine ich gar nicht meinen Blog sondern einfach mich selbst.
Patrick du bist wirklich ein tolles Vorbild, wenn es um Professionalität, Produktivität, Rationalität und Zielorientierung geht!
Hi Christoph,
danke für Deine Worte. Es freut mich, wenn sich jemand durch mein Geschreibe ein bisschen motivierter fühlt :)
Ich habe selbst immer noch oft Probleme, mich zu motivieren und prokrastiniere manchmal vor mich hin. Nobody’s perfect!
Aber wer hin und wieder mal richtig produktiv ist, bei dem kommt am Ende auch etwas Gutes heraus :)